Kirchengewerkschaft
Landesverband  B A D E N

kontrastreiche Ansicht

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Januar 2013

Gestellung

Als besondere Form der Arbeitnehmerüberlassung gilt vor allem im kirchlichen und diakonischen oder caritativen Bereich die Gestellung. Historisch gewachsen ist die Gestellung durch den Einsatz von Ordensschwestern, Diakonissen oder auch Rot-Kreuz-Schwestern in Kirchengemeinden oder diakonischen bzw. caritativen Einrichtungen, welche in anderer Trägerschaft lagen.

In jüngster Zeit werden Gestellungsverträge häufig erforderlich, wenn zwei oder mehrere Dienststellen oder Einrichtungen fusionieren, welche bei unterschiedlichen Zusatzversorgungskassen Mitglied sind. Um ein sehr teures "Freikaufen" bei einer Kasse zu vermeiden, bleiben die ehemaligen Anstellungsträger formal erhalten, stellen bei Personalwechsel auch wieder neues Personal ein und gestellen ihre Beschäftigten zu der fusionierten Dienststelle bzw. Einrichtung. (Beispiel: Zwei Diakonische Werke fusionieren zu einem neuen, ein Werk war Mitglied bei der VBL [externer Link / öffnet in eigenem Fenster], das andere bei der KZVK [externer Link / öffnet in eigenem Fenster])

Der Gestellungsvertrag wird dabei zwischen den beiden Anstellungsträgern abgeschlossen. Pflichten der Beschäftigten nach § 611 BGB [externer Link / öffnet in eigenem Fenster] und nach den sich daraus folgenden gesetzlichen und tariflichen, sowie arbeitsrechtlichen Regelungen gehen von dem gestellenden (alten) Anstellungsträger auf den aufnehmenden (neuen) Anstellungsträger über, gleichwohl der gestellende Anstellungsträger weiter formal Arbeitgeber bleibt.
"Durch die Gestellung entsteht zwischen dem Gestellten und der aufnehmenden Einrichtung bzw. deren Träger weder ein Arbeitsverhältnis noch ein sonstwie geartetes Dienstverhältnis, wie auch umgekehrt hierdurch statusrechtliche Beziehung zwischen dem derart Gestellten zu seinem Dienstherrn bzw zur Schwesternschaft hiervon nicht berührt wird."
(Harald Schliemann, Reiner Ascheid, "Das Arbeitsrecht im BGB", Walter de Gruyter 2002, S. 101f [externer Link / öffnet in eigenem Fenster])

Folgen für die und Rechte der Mitarbeitervertretung (MAV)

§ 2 Absatz 3 Mitarbeitervertretungsgesetz (MVG):
(3)Personen, die aufgrund von Gestellungsverträgen beschäftigt sind, gelten als Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen im Sinne dieses Kirchengesetzes; ihre rechtlichen Beziehungen zu der entsendenden Stelle bleiben unberührt. Angehörige von kirchlichen oder diakonischen Dienst- und Lebensgemeinschaften, die aufgrund von Gestellungsverträgen in Dienststellen (§ 3) arbeiten, sind Mitarbeiter oder Mitarbeiterinnen dieser Dienststellen, soweit sich aus den Ordnungen der Dienst- und Lebensgemeinschaften nichts anderes ergibt.

Im Absatz 3 werden die sich überschneidenden Zugehörigkeiten der gestellten Beschäftigten zumindest in der Hinsicht eindeutig festgelegt, was die Anwendung des MVG anbelangt. So sind gestellte Beschäftigte wahlberechtigt und wählbar sowohl bei dem entsendenden als auch bei dem aufnehmenden Anstellungsträger. Zwar unterliegt die Entsendung selbst keiner Beteiligung durch eine MAV, die Aufnahme als solche bei dem aufnehmenden Anstellungsträger wird durch die Eingliederung in den Betrieb (Weisungsgebundenheit, arbeitstechnische Zweckgebundenheit, organisatorische Unterstellung) allerdings mitbestimmungsrechtlich als Einstellung (§ 42 Buchst. a MVG) behandelt. (Vgl. Detlev Fey / Olaf Rehren, "Praxiskommentar", Otto Bauer Verlag Stuttgart, S. K 39 [externer Link / öffnet in eigenem Fenster] und BAG AZ: 1 ABR 74/96 [externer Link / öffnet in eigenem Fenster])

Im Gegensatz zu den gestellten Beschäftigten sind Leiharbeitnehmerinnen und -arbeitnehmer keine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Sinne des MVG. Zwar muss die MAV der Einstellung zustimmen, die Leiharbeitnehmerinnen und -arbeitnehmer können die MAV aufsuchen und an den Mitarbeitendenversammlungen teilnehmen, die aktive und passive Wahlberechtigung haben sie allerdings nicht. (§ 14 Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) [externer Link / öffnet in eigenem Fenster])

Folgen aus dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG)

Durch die Gesetzesänderung des AÜG zum 1. Dezember 2011 wurde der Geltungsbereich des Arbeitnehmerüberlassungesetzes erweitert, indem es nunmehr nicht mehr auf die gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung ankommt.
Daher müssten sämtliche Arbeitnehmerüberlassungen (Gestellungen) nach dem AÜG genehmigt werden. Die Genehmigungen sind kostenpflichtig.

Die zuständigen Stellen der EKD haben mit der Bundesagentur für Arbeit als zuständige Aufsichtsbehörde für das AÜG Einvernehmen darüber hergestellt, dass die Bereiche Verkündung, Seelsorge, Liturgie, Kirchenmusik sowie der Religionsunterricht als Kernaufgaben zur Verbreitung der Glaubenslehre nicht unter den Anwendungsbereich des AÜG fallen.

Schwer vorstellbar ist, dass durch die Änderung des AÜG der "Mitarbeiterstatus" der gestellten Beschäftigten gem. § 2 Abs. 3 MVG auch eingeschränkt wird, da durch die o.a. Kommentierung des § 2 Abs. 3 MVG die unterschiedliche Rechtsstellung (einerseit gestellte Beschäftigte, andereseits Leiharbeitnehmerinnen und -arbeitnehmer) mehr durch inhaltliche als durch formale Kriterien begründet wird.

Urteile des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg:
###   Nicht nur vorübergehende Überlassung führt NICHT zum Arbeitsverhältnis mit Entleiher
###   Dauerhafte Überlassung führt zum Arbeitsverhältnis

2 Kammern - 2 verschiedene Urteile

Pressemitteilung Nr. 37/12 vom 16.10.2012 [externer Link / öffnet in eigenem Fenster]

Nach § 1 des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG) bedürfen Arbeitgeber, die im Rahmen ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit als Verleiher Dritten Leiharbeitnehmer zur Arbeitsleistung überlassen wollen, der Erlaubnis. Die Überlassung von Arbeitnehmern erfolgt nach dem Ende 2011 in Kraft getretenen Gesetzeswortlaut vorübergehend. Im Gesetz ist nicht näher geregelt, wann ein vorübergehender Einsatz anzunehmen ist und welche Rechtsfolgen im Falle nicht nur vorübergehender Leiharbeit eintreten, insbesondere, ob in diesem Falle ein Arbeitsverhältnis mit dem Entleiher zustande kommt.

Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hat nun entschieden, dass selbst im Falle einer nicht nur vorübergehenden Arbeitnehmerüberlassung kein Arbeitsverhältnis mit dem Entleiher zustande kommt. In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Falle hatte das Tochterunternehmen einer Krankenhausbetreibergesellschaft, welches mit Erlaubnis Arbeitnehmerüberlassung betreibt, dieser die als Krankenschwester beschäftigte Klägerin für die gesamte bisher über vierjährige Dauer des Arbeitsverhältnisses als Leiharbeitnehmerin überlassen. Das Landesarbeitsgericht ließ offen, ob es sich hierbei um eine nicht nur vorübergehende Arbeitnehmerüberlassung handelte, die von der Klägerin geltend gemachte Rechtsfolge des Zustandekommens eines Arbeitsverhältnisses sei jedenfalls vom Gesetzgeber für diesen Fall nicht vorgesehen worden. Auch ein rechtsmissbräuchliches Strohmanngeschäft könne in derartigen Fällen jedenfalls dann nicht angenommen werden, wenn das Arbeitsverhältnis wie im vorliegenden Falle vor der Ende 2011 erfolgten Änderung des AÜG abgeschlossen worden sei.

Das Landesarbeitsgericht hat die Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen.

Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 16.10.2012 Aktenzeichen 7 Sa 1182/12


Pressemitteilung Nr. 01/13 vom 09.01.2013 [externer Link / öffnet in eigenem Fenster]

Die Arbeitnehmerüberlassung bedarf nach § 1 Abs. 1 Arbeitnehmer-überlassungsgesetz (AÜG) der Erlaubnis und erfolgt vorübergehend. Eine Arbeitnehmerüberlassung ohne Erlaubnis führt nach § 10 Abs. 1 AÜG zu einem Arbeitsverhältnis zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer. Im Gesetz ist nicht näher geregelt, wann ein vorübergehender Einsatz anzunehmen ist und welche Rechtsfolgen bei einer nicht nur vorübergehenden Leiharbeit eintreten.

Der Entleiher betreibt Krankenhäuser und setzt als Krankenpflegepersonal bei einem konzerneigenen Verleihunternehmen beschäftigtes Personal ein; die Beschäftigung erfolgt auf Dauerarbeitsplätzen, für die keine eigenen Stammarbeitnehmer vorhanden sind. Das Verleihunternehmen besitzt eine Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung.

Die Kammer 15 des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg hat in diesem Fall heute entschieden, dass ein Arbeitsverhältnis zwischen dem Entleiher und dem Leiharbeitnehmer besteht. Die Kammer hat dabei angenommen, eine auf Dauer angelegte Arbeitnehmerüberlassung sei von der erteilten Erlaubnis nicht gedeckt; es komme daher ein Arbeitsverhältnis zwischen dem Entleiher und dem Leiharbeitnehmer zustande. Es stelle einen „institutionellen Rechtsmissbrauch“ dar, wenn das konzerneigene Verleihunternehmen nicht am Markt werbend tätig sei und seine Beauftragung nur dazu diene, Lohnkosten zu senken oder kündigungsschutzrechtliche Wertungen ins Leere laufen zu lassen. Demgegenüber hatte die Kammer 7 des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg in einem Parallelverfahren das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses zwischen dem Entleiher und dem Leiharbeitnehmer verneint (Pressemitteilung 37/12).

Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 09.01.2013 – 15 Sa 1635/12
Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 16.10.2012 – 7 Sa 1182/12

Beide Kammern des Landesarbeitsgerichts haben die Revision an das Bundesarbeitsgericht zugelassen.

=> Dienstvertrag bei Wikipedia [externer Link / öffnet in eigenem Fenster])
=> Gestellungsvertrag bei Pflegewiki [externer Link / öffnet in eigenem Fenster])
=> BAG AZ: 1 ABR 74/96 [externer Link / öffnet in eigenem Fenster])
=> Rundschreiben 2/2012 des Evangelischen Oberkirchenrat zur Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) [196 kb]
=> Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) - Rundschreiben des Evangelischen Oberkirchenrat vom 17. März 2017 [248 kb]

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