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Kommentar zu § 14 TzBfG
Lebensalterbefristung ist nicht mehr zulässig
Das höchste deutsche Arbeitsgericht hat genau vor zwei Wochen die so genannte 52er-Regelung im Teilzeit- und Befristungsgesetz gekippt und damit zeitlich
uneingeschränkte, sachgrundlose Befristungen mit älteren Arbeitnehmern auch für die Vergangenheit für unwirksam erklärt. Dem Bundesarbeitsgericht blieb allerdings auch
nicht viel anderes übrig, schließlich hatte der Europäische Gerichtshof Ende letzten Jahres bereits in einem anderen Fall in diesem Sinne bindend entschieden. Dies zeigt
wieder einmal die wachsende Bedeutung des europäischen Gemeinschaftsrechts auch für das deutsche Arbeitsrecht. Außerdem wurde mit dieser Rechtsprechung ein
deutliches Zeichen gegen die Diskriminierung Älterer gesetzt.
Die in Deutschland geltende Rechtsvorschrift, nach der ältere Arbeitnehmer über 52 ohne sachlichen Grund nur noch befristet beschäftigt werden dürfen, verstößt gegen das
EU-Diskriminierungsverbot und darf nicht angewandt werden. Das gilt auch für bisher schon bestehende entsprechende Arbeitsverträge. So entschied jetzt erstmals das
Bundesarbeitsgericht (BAG) am 26. April (Az.: 7 AZR 500/04) mit ausdrücklichem Bezug auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) vom November 2005.
Der EuGH hatte am 22. November 2005 (Az.: C 144/04 [Mangold]) entschieden, dass die nach § 14 Abs. 3 S. 4 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) vorgesehene
Befristungsmöglichkeit eine nach dem in der EU geltenden Diskriminierungsverbot unzulässige Benachteiligung wegen des Alters bedeutet. Diese Vorschrift dürfe von den
nationalen Gerichten nicht angewendet werden. Der EuGH hatte seinerzeit in der bundesdeutschen Regelung, die Bestandteil der so genannten Hartz I-Gesetze ist, eine
"unmittelbar auf das Alter gestützte Ungleichbehandlung" gesehen, die "grundsätzlich eine gemeinschaftsrechtlich verbotene Diskriminierung" im Sinne der
EG-Antidiskriminierungs-Richtlinie (2000/78/EG) enthalte.
Das Arbeitsgericht München hatte dem EuGH die Frage, ob die genannte Vorschrift des TzBfG mit dem europäischen Gemeinschaftsrecht vereinbar ist, zur
Vorabentscheidung vorgelegt.
Kein Vertrauensschutz!
Das BAG hatte jetzt erstmals über die Wirksamkeit einer Befristung zu entscheiden, die von einem Arbeitgeber der Privatwirtschaft allein auf § 14 Abs. 3 S. 4 TzBfG
gestützt wurde. Dabei begnügte sich das oberste Arbeitsgericht nicht damit, die Rechtswidrigkeit dieses Paragrafen festzustellen. Es unterstrich außerdem: Arbeitgeber
können auch nach nationalem Recht keinen Vertrauensschutz auf die Gültigkeit der Vorschrift beanspruchen. Das bedeutet: Arbeitgeber können sich bei den bis zur
Entscheidung des EuGH abgeschlossenen Verträgen auch nicht darauf berufen, auf die Gültigkeit der Vorschrift vertraut zu haben.
Die Entscheidung über den sich aus dem Gemeinschaftsrecht ergebenden Vertrauensschutz ist dem EuGH vorbehalten. Dieser hat in der maßgeblichen Entscheidung den
Ausspruch über die Unanwendbarkeit von § 14 Abs. 3 S. 4 TzBfG in zeitlicher Hinsicht nicht begrenzt. Hieran sind die nationalen Gerichte gebunden. Der beklagte
Arbeitgeber konnte im Übrigen auch nach nationalem Recht keinen Vertrauensschutz beanspruchen. Die Vereinbarkeit der Norm mit Gemeinschaftsrecht war im
arbeitsrechtlichen Schrifttum bereits seit ihrem In-Kraft-Treten in Zweifel gezogen worden.
Arbeitgeber, die bei der befristeten Einstellung älterer Arbeitnehmer gemäß dem Wortlaut des Gesetzes gehandelt haben, müssen sich jetzt vorhalten lassen, sie hätten
sich gar nicht nach dem Gesetz richten dürfen, weil es schon bei seiner Verabschiedung im arbeitsrechtlichem Schrifttum umstritten gewesen sei. Das dürfte aber auf
zahlreiche Gesetze zutreffen, da wohl kaum ein Gesetz in Deutschland ohne kontroverse Diskussionen auf den Weg gebracht wird.
Ausnahmen sind eng begrenzt
Im konkreten Rechtsstreit ging es um einen 1950 geborenen Kläger, der seit dem 12. Juli 1999 auf Grund mehrerer befristeter Arbeitsverträge bei der Beklagten als Aushilfe
in der Produktion beschäftigt war. Der zuletzt abgeschlossene Vertrag vom 18. Februar 2003 hatte eine Befristung des Arbeitsverhältnisses für die Zeit vom 19. Februar
2003 bis zum 31. März 2004 vorgesehen. Die Vorinstanzen hatten die Klage unter Berufung auf § 14 Abs. 3 S. 4 TzBfG abgewiesen. Das BAG gab nun der
Befristungskontrollklage des Klägers statt. In Folge der Entscheidung des EuGH sind allein auf § 14 Abs. 3 S. 4 TzBfG gestützte sachgrundlose Befristungen unwirksam.
Das BAG bezog sich dabei ausdrücklich auf das "Erste Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt" (Hartz I) vom 23. Dezember 2002, das die Altersgrenze für
die sachgrundlose Befristung von älteren Arbeitnehmern bis zum 31. Dezember 2006 von bisher 58 Jahren auf 52 Jahre abgesenkt hat (§ 14 Abs. 3 S. 4 TzBfG). Nach § 14
Abs. 1 S. 1 TzBfG ist die Befristung eines Arbeitsvertrages zulässig, wenn sie durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt ist. Dazu sieht das Gesetz allerdings
Ausnahmen vor. So ist u.a. der Abschluss eines befristeten Arbeitsvertrages mit einem Arbeitnehmer ohne sachlichen Grund möglich, wenn er bei Beginn des befristeten
Arbeitsverhältnisses das 58. Lebensjahr vollendet hat - vorausgesetzt, es besteht zu einem vorher unbefristeten Arbeitsvertrag mit demselben Arbeitgeber kein enger
sachlicher Zusammenhang (§ 14 Abs. 3 S. 1 und 2 TzBfG).
Dauerhafter Ausschluss Älterer nicht zulässig
Auch der EuGH hatte im November eingeräumt, befristete Beschäftigung Älterer sei nicht grundsätzlich verboten. Sie sei dann "objektiv und angemessen" gerechtfertigt,
wenn sie die berufliche Eingliederung älterer Arbeitsloser fördern solle. Allerdings gehe § 14 Abs. 3 S. 4 TzBfG weit über das hinaus, was dazu "angemessen und
erforderlich" sei. Das bundesdeutsche Gesetz laufe nämlich darauf hinaus, dass der gesamten Altersgruppe der Arbeitnehmer ab 52, gleichgültig ob diese vor Abschluss
des Arbeitsvertrages arbeitslos waren und wie lange, bis zum Renteneintritt befristete, unbegrenzt häufig verlängerbare Arbeitsverträge angeboten werden dürften.
Dies berge für Ältere aber die Gefahr, so der EuGH, dass sie dauerhaft von festen Arbeitsverhältnissen ausgeschlossen werden könnten, die doch einen wichtigen Aspekt
des Arbeitnehmerschutzes bedeuteten. Die obersten EU-Richter schlossen sich damit der Auffassung des EU-Generalanwalts an, der in seinen Schlussanträgen vom Juni
2005 in dieser Sache gesagt hatte: "Zwar wird diesen Arbeitnehmern die Suche nach einer neuen Beschäftigung erleichtert, aber um den Preis des grundsätzlichen
dauerhaften Ausschlusses von der Garantie des unbefristeten Arbeitsvertrags." Und genau der sei doch die übliche Form des Beschäftigungsverhältnisses und müsse das
auch bleiben.
Mögliche Folgen für andere Vorschriften
Unmittelbar beziehen sich die Urteile des EuGH und des BAG nur auf Satz 4 des § 14 Abs. 3 TzBfG. Es ist jedoch nahe liegend, dass davon auch andere Vorschriften
betroffen sind. Betroffen könnte vor allem der erste Satz in der Vorschrift des § 14 Abs. 3 TzBfG sein, der sachgrundlose Befristungen von Arbeitsverträgen erlaubt, wenn der
Arbeitnehmer bei Beginn der Beschäftigung bereits das 58. Lebensjahr vollendet hat.
Nach Artikel 6 der einschlägigen EG-Richtlinie 2000/78/EG zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und
Beruf sind zwar Ungleichbehandlungen wegen des Alters erlaubt, sofern sie objektiv und angemessen und im Rahmen des nationalen Rechts durch ein legitimes Ziel wie
Beschäftigungsförderung gerechtfertigt sind. Außerdem müssen die eingesetzten Mittel zur Erreichung dieses Ziels auch angemessen und erforderlich sein.
§ 14 Abs. 3 S. 1 TzBfG knüpft allerdings für eine Befristung des Arbeitsvertrages wiederum nur an das Alter des Arbeitnehmers, nämlich 58, an. Folglich muss auch in
diesem Fall von einem Verstoß gegen die europäische Gleichbehandlungsrichtlinie ausgegangen werden. Ob dann auch der Vertrauensschutz bei einer anstehenden
Gerichtsentscheidung wieder verneint wird, bleibt abzuwarten. Zumindest für neu abgeschlossene Verträge, die sich auf § 14 Abs. 3 TzBfG stützen, dürfte dies nunmehr der
Fall sein.
Tausche Befristung gegen Kündigungsschutz
Seit einiger Zeit ist aber auch absehbar, welche Konsequenzen die Bundesregierung aus der jetzt bestätigten Rechtslage zu ziehen gedenkt: Die sachgrundlose Befristung
soll gegen einen aufgeweichten Kündigungsschutz eingetauscht werden, nämlich durch Einführung einer zweijährigen "Probezeit", bei der das Kündigungsschutzgesetz
noch nicht greift.
Der Hamburger Arbeits- und Sozialrechtler Professor Udo Mayer sagte dazu in der April-Ausgabe der Zeitschrift "Arbeitsrecht im Betrieb": "Faktisch können allerdings nach
dem neuen Modell nun alle Neueinstellungen indirekt auf zwei Jahre befristet werden durch einfaches einschalten einer Probezeit." Dieses Spiel dürfe der Arbeitgeber sogar
"wiederholen, wenn er dazwischen eine Scham- und Karenzzeit von sechs Monaten verstreichen lässt." Dies laufe, so der Professor, für die Arbeitnehmer auf eine
"dauerhafte Verunsicherung" hinaus.
EuGH 22.11.2005, C-144/04
Ältere Arbeitnehmer dürfen nicht unbegrenzt mit befristeten Arbeitsverträgen beschäftigt werden
Die Neuregelung in § 14 Abs.3 TzBfG, wonach mit über 52 Jahre alten Arbeitnehmern unbegrenzt befristete Arbeitsverträge geschlossen werden dürfen, verstößt gegen EU-Recht. Hierin liegt eine unzulässige Diskriminierung wegen des Alters. Die Regelung bezweckt zwar die Wiedereingliederung älterer Arbeitnehmer in den Arbeitsmarkt und damit ein legitimes Ziel. Dies rechtfertigt es aber nicht, ältere Menschen faktisch von unbefristeten Arbeitsverhältnissen auszuschließen.
Der Sachverhalt:
Der damals 56 Jahre alte Kläger schloss am 26.6.2003 einen Arbeitsvertrag mit dem beklagten Rechtsanwalt. Danach sollte das Arbeitsverhältnis am 1.7.2003 beginnen und am 28.2.2004 enden.
Der Beklagte stützte die Befristung auf die Bestimmung über die erleichterte Befristung mit älteren Arbeitnehmern in § 14 Abs.3 S.4 und 1 TzBfG. Nach dieser im Rahmen des Hartz-Gesetzes zum 1.1.2003 eingeführten Neuregelung bedarf die Befristung eines Arbeitsvertrages keines sachlichen Grundes, wenn der Arbeitnehmer bei Beginn des befristeten Arbeitsverhältnisses das 52. Lebensjahr vollendet hat.
Der Kläger war der Auffassung, dass die Befristungsabrede gegen das Gemeinschaftsrecht verstößt. Das mit der Klage befasste ArbG setzte das Verfahren aus und legte dem EuGH die Frage vor, ob § 14 Abs.3 TzBfG gemeinschaftsrechtskonform ist. Der EuGH verneinte dies.
Die Gründe:
Die Neuregelung in § 14 Abs.3 TzBfG verstößt gegen das gemeinschaftsrechtliche Diskriminierungsverbot. Danach ist unter anderem eine Diskriminierung wegen des Alters verboten.
In § 14 TzBfG werden jüngere und ältere Arbeitnehmer ungleich behandelt. Während bei jüngeren Arbeitnehmern ein Arbeitsvertrag höchstens für die Dauer von zwei Jahren sachgrundlos befristet werden darf, dürfen Arbeitgeber mit über 52 Jahre alten Arbeitnehmern unbegrenzt befristete Arbeitsverträge abschließen. Diese Ungleichbehandlung dient zwar einem legitimen Ziel, nämlich der Förderung der beruflichen Eingliederung arbeitsloser älterer Arbeitnehmer. Die unbegrenzte Zulässigkeit von befristeten Beschäftigungsverhältnissen stellt aber ein unverhältnismäßiges Mittel zur Erreichung dieses Ziels dar.
Die streitige Regelung läuft darauf hinaus, dass allen über 52 Jahre alten Arbeitnehmern unterschiedslos und unabhängig davon, wie lange sie vor Abschluss des Arbeitsvertrags arbeitslos waren, befristete, unbegrenzt häufig verlängerbare Arbeitsverträge angeboten werden können. Dabei besteht die Gefahr, dass die große Gruppe der über 52-Jährigen von festen Beschäftigungsverhältnissen faktisch ausgeschlossen wird. Eine derartige Regelung, die als einziges Kriterium für die Befristung auf das Alter des Arbeitnehmers abstellt, geht über das zur Erreichung des Ziels Erforderliche deutlich hinaus.
Die nationalen Gerichte müssen der Gemeinschaftsrechtswidrigkeit von § 14 Abs.3 TzBfG Rechnung tragen, indem sie diese Vorschrift nicht anwenden.
Linkhinweis:
Der Volltext der Entscheidung ist auf den Seiten des EuGH (externer Link) veröffentlicht.