Vorbemerkung: |
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Vieles in kirchlicher Arbeit und kirchlichem Leben geschieht nicht im Verschwiegenen, sondern öffentlich, z.B. im Gottesdienst oder in den Sitzungen der Synode. Und doch bedarf es der Bereiche der Verschwiegenheit. Diese Bereiche rechtlich auszuloten soll unser Thema sein. Es gliedert sich in folgende Teile:
1. Beicht- und Seelsorgegeheimnis
2. Amtsverschwiegenheit/Verschwiegenheitspflicht
3. Innerdienstliche bzw. innerbehördliche Schweigepflicht?
4. Verschwiegenheit im Ehrenamt
1. "Das Beichtgeheimnis ist unverbrüchlich". So formuliert es § 17 Abs. 1 Pfarrdienstgesetz. Mit dem Wort "unverbrüchlich" ist gemeint, dass das Beichtgeheimnis gegenüber jedermann strikt zu wahren ist. Vom Beichtgeheimnis kann nicht entbunden und nicht entpflichtet werden. Da das Gesetz keinerlei Vorbehalte und Ausnahmen für das Beichtgeheimnis vorsieht, gilt das Beichtgeheimnis absolut. Die Frage nach besonders gelagerten Ausnahmefällen, nämlich zur Verhinderung schwerer Verbrechen oder zur Verhinderung der Bestrafung Unschuldiger, ist daher definitiv mit nein zu beantworten. Das Vertrauen in das Beichtgeheimnis darf nämlich nicht durch Ausnahmen enttäuscht werden, wenn Beichte und Seelsorge nicht insgesamt Schaden nehmen sollen. Der Staat erkennt dies an, indem er Pfarrerinnen und Pfarrer von der Pflicht zur Anzeige geplanter Verbrechen nach § 138 Strafgesetzbuch ausnimmt und ihnen strafprozessual ein Zeugnisverweigerungsrecht einräumt.
Das badische Pfarrdienstgesetz unterscheidet in § 17 zwischen dem Beichtgeheimnis und dem Seelsorgegeheimnis. Die seelsorgerliche Schweigepflicht umfasst aber alles, was dem Pfarrer oder der Pfarrerin in seiner bzw. ihrer Eigenschaft als Seelsorger bzw. Seelsorgerin anvertraut oder bekannt wird. Der Hauptunterschied zum Beichtgeheimnis besteht darin, dass Pfarrerinnen und Pfarrer von denjenigen, die sich ihnen seelsorglich anvertraut haben, von der Schweigepflicht entbunden werden können.
2. Von beiden Geheimnisbereichen säuberlich zu trennen ist die sogenannte Amtsverschwiegenheit. Diese betrifft nur vertrauliche Angelegenheiten des äußeren Dienstbetriebes, etwa Personalangelegenheiten bei Bewerbungen, Kirchensteuerangelegenheiten etc. Die Amtsverschwiegenheit entfällt, wenn die vorgesetzte Dienstbehörde die Genehmigung zur Aussage erteilt. Das Seelsorgegeheimnis ist in § 17 Abs. 2, die Amtsverschwiegenheit in § 18 Pfarrdienstgesetz geregelt. Verschwiegenheit ist allerdings nicht nur ein Thema für Pfarrerinnen und Pfarrer.
Wichtig ist in diesem Zusammenhang die Regelung aus § 8 Mitarbeiterdienstgesetz. Sie betrifft die Angestellten in Gemeindediakonie, Jugendarbeit, Religionsunterricht und kirchlicher Sozialarbeit: "Der Mitarbeiter hat über Angelegenheiten vertraulicher Art, die er in Ausübung seines Dienstes erfährt, Verschwiegenheit zu bewahren. Die Bestimmungen des Pfarrdienstgesetzes über das Beichtgeheimnis etc. finden entsprechend Anwendung". Was bedeutet dies?
Die Konsequenzen im staatlichen Recht für das Beichtgeheimnis incl. des Zeugnisverweigerungsrechtes gelten nicht ohne weiteres für Angestellte, die nicht ordiniert sind. Hier besteht ein gewisser rechtsunklarer Raum. Im Zweifel ist es Sache des staatlichen Gesetzgebers, durch Änderung der Vorschriften im Strafgesetzbuch und in den Prozessordnungen den Begriff der "Geistlichen" (vgl. zum Beispiel § 139 Abs. 2 Strafgesetzbuch) näher zu definieren oder durch andere Begriffe zu ersetzen. Denn an diesen Begriff knüpft das staatliche Recht an.
Nach § 5 Abs. 1 Satz 2 der Arbeitsrechtsregelung über die Grundlagen der Dienstverhältnisse haben Mitarbeitende über alle Angelegenheiten, von denen sie bei Ausübung des Dienstes Kenntnis erhalten und die vertraulich sind, Verschwiegenheit zu bewahren. Dies gilt sogar noch dann, wenn das Arbeitsverhältnis nicht mehr besteht. Hierüber geben die Mitarbeitenden eine schriftliche Verpflichtungserklärung ab. Die genannte Vorschrift entspricht der Regelung in § 9 Abs. 1 und Abs. 4 BAT (Bundesangestellten-Tarifvertrag). Angestellte brauchen übrigens keine Aussagegenehmigung vom Arbeitgeber oder einer anderen Stelle.
3. Schwierig ist die Frage nach der Reichweite einer innerbehördlichen Schweigepflicht zu beantworten. Dies betrifft insbesondere Beratende in der kirchlichen Sozialarbeit. Denn nach § 203 Abs. 1 Nr. 4 Strafgesetzbuch kann sich strafbar machen, wer als Ehe-, Familien-, Erziehungs- oder Jugendberater oder Berater für Suchtfragen in einer "Beratungsstelle ... unbefugt ein fremdes Geheimnis offenbart", das ihm in seiner beruflichen Eigenschaft anvertraut worden oder sonst bekannt geworden ist. Insbesondere stellt sich die in der Praxis immer wieder relevante Frage, ob entsprechende Mitarbeitende den Vorgesetzten im Rahmen der Dienst- und Fachaufsicht uneingeschränkt Einblick in die Klientenakten gewähren dürfen. Grundsätzlich ist festzuhalten, dass ein solches Einsichtsverlangen gegen § 203 Strafgesetzbuch (StGB) verstoßen kann. Das Bundesverfassungsgericht hat nämlich ausgeführt, dass die Schweigepflicht an den Vertreter des Beratungsberufes gerichtet ist und nicht an die Institution, in der er arbeitet. Allerdings fällt eine anonymisierte Auskunft nicht unter die Strafdrohung des § 203 StGB. Ferner kann die Befugnis zur Offenbarung auch durch Einwilligung seitens der Hilfesuchenden begründet werden. Die Bindung der Schweigepflicht an den Vertreter des Beratungsberufes kann m. E. auch aufgehoben sein, wenn gar keine personale Beziehung zwischen Klient und Berater besteht oder wenn nur ein Erstkontakt geknüpft ist.
Die Grenzen hierbei im Einzelfall zu ziehen, ist im Zweifel Sache der Strafgerichte.
4. Nicht nur für die beruflich in der Kirche Mitarbeitenden, sondern auch für Ehrenamtliche ist die Schweigepflicht ein wichtiger Punkt. Dies betrifft vor allem Mitglieder kirchlicher Körperschaften und Organe (Kirchengemeinderat u.a.), woran § 139 Abs. 1 Grundordnung der badischen Landeskirche erinnert. Entsprechend formulieren auch die Leit- und Richtlinien für ehrenamtliches Engagement in der badischen Landeskirche: "Ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben über vertrauliche Angelegenheiten nach außen Stillschweigen zu bewahren, auch über das Ende ehrenamtlicher Tätigkeit hinaus."
Diese Vorschriften des Kirchenrechtes bezwecken nicht etwa Gängelung der kirchlichen Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter. Vielmehr geht es um den Schutz zum einen eines kirchlichen Kernbereiches, nämlich der Seelsorge, zum anderen geht es um Vertrauen und drittens um den Schutz des Dienstbetriebes. Hierin folgen die kirchlichen Regelungen denen für den öffentlichen Dienst. Auch die Privatwirtschaft kennt selbstverständlich Regelungen zur Verschwiegenheitspflicht, unter Umständen auch über das Ende des Arbeitsverhältnisses hinaus (vgl. auch § 90 Handelsgesetzbuch).
Dr. Uwe Kai Jacobs, Kirchenrechtsdirektor