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Anerkennung der normativen Wirkung von Arbeitsrechtsregelungen im Staatskirchenvertrag BW
Artikel aus ZMV 4/2008 S. 195 f
Seit etwa drei Jahrzehnten beschreiten die Kirchen
den Dritten Weg zur Festlegung der Arbeitsentgelte
und sonstigen Arbeitsbedingungen ihrer privatrechtlich beschäftigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Umstritten ist dabei nach wie vor die Rechtsnormqualität der auf dem Dritten Weg zustande gekommenen
kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen: Gelten sie unmittelbar und zwingend, also normativ, für die kirchlichen
Arbeitsverhältnisse? Oder können die von den Arbeitsrechtlichen Kommissionen beschlossenen Arbeitsrechtsregelungen nur über den „Umweg“ der arbeitsvertraglichen Einbeziehungsklausel für das jeweilige
Arbeitsverhältnis zur Geltung gebracht werden?
Im Anschluss an eine ermutigende Entscheidung des
Bundesarbeitsgerichts aus dem Jahr 2002 (BAG, Urteil
vom 20. März 2002 – 4 AZR 101/01, ZMV 6/2002 S.
299; vgl. dagegen BAG, Urteil vom 8. Juni 2005 – 4
AZR 412/04, ZMV 2/2006 S. 96) haben mehrere evangelische Landeskirchen den Anspruch der Arbeitsrechtsregelungen auf normative Wirkung in ihren
kirchlichen Gesetzen klargestellt (vgl. die Regelung
im jeweiligen Arbeitsrechtsregelungsgesetz – ARRG –
für: Baden – § 4 Abs. 2 S. 1 –, Württemberg – § 4 Abs. 2
S. 1 –; ebenso Bayern – § 3 Abs. 1 –, Konföderation ev.
Kirchen in Niedersachsen – § 15a Abs. 2 –, RheinlandWestfalen-Lippe – § 3 Abs. 1). In vergleichbarer Weise hat auch die katholische Kirche gehandelt (vgl. z.B.
die Mitteilung zur Änderung der KODA-Ordnung der
Erzdiözese Freiburg mit Wirkung vom 1. Juli 2005 in:
ZMV 4/2005, S. 191).
Mit dem Evangelischen Kirchenvertrag Baden-Württemberg (Vertrag des Landes Baden-Württemberg mit
der Evangelischen Landeskirche in Baden und mit der
Evangelischen Landeskirche in Württemberg vom 17.
Oktober 2007, GVBl. der Ev. Landeskirche in Baden
2007, S. 174 ff.), der am 10. April 2008 in Kraft trat
(Bekanntmachung: Ratifikation und Inkrafttreten des
Evangelischen Kirchenvertrags Baden-Württemberg,
GVBl. der Ev. Landeskirche in Baden 2008, S. 92), ist
die normative Wirkung von kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen erstmals staatskirchenvertraglich anerkannt worden. In Artikel 1 Abs. 2 heißt es: „Die Kirchen
ordnen und verwalten ihre Angelegenheiten selbständig innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes. Sie haben das Recht, …, für ihre Mitglieder,
Gliederungen und Einrichtungen bindende Gesetze und
Verordnungen zu erlassen und im Rahmen ihrer Zuständigkeit verbindliche Arbeitsrechtsregelungen zu
beschließen“ (Hervorhebung vom Verfasser). Damit
wurde erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik
Deutschland in einem Staatskirchenvertrag die Arbeitsrechtsregelung im Dritten Weg neben der Gesetz- und Verordnungsgebung als Teil des Selbstbestimmungsrechts der Kirchen garantiert.
Hierbei ist besonders wichtig, dass die normative Wirkung von Arbeitsrechtsregelungen nicht nur staatskirchenvertraglich anerkannt wurde, sondern auch – wiederum erstmalig – landesgesetzlich. Denn mit Gesetz
vom 8. Januar 2008 (GBl. für Baden-Württemberg 2008,
S. 1 ff., mit Berichtigung im GBl. 2008, S. 56. Dieses
Gesetz trat nach seinem Artikel 4 Abs. 1 am 12. Januar
2008 in Kraft) hat das Land Baden-Württemberg dem
Evangelischen Kirchenvertrag Baden-Württemberg
zugestimmt. Die amtliche Begründung zum Zustimmungsgesetz hält ausdrücklich fest: „Mit der Zustimmung erhält der Vertrag Gesetzeskraft“ (Drucksache
14/1940 des Landtags von Baden-Württemberg, S. 6).
Damit wurde erstmals in einem staatlichen Gesetz die
Rechtsmacht der Kirchen zur verbindlichen Arbeitsrechtsregelung im Verhältnis zu ihren Mitarbeitenden
– auch solchen, die nicht Kirchenmitglieder sind –
anerkannt. Dies erscheint wichtig im Hinblick auf das
Urteil des BAG vom 8. Juni 2005. Diese neue Entwicklung könnte hilfreiche Bausteine enthalten, um langfristig zu einer allgemeinen, vor allem gerichtlichen Anerkennung der normativen Wirkung von kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen zu kommen.
Dr. Uwe Kai Jacobs, Karlsruhe