Kirchengewerkschaft
Landesverband  B A D E N

kontrastreiche Ansicht

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September 2017

hier finden Sie nähere Ausführungen, Erklärungen, Hinweise auf gerichtliche Entscheidungen oder auch Hinweise zu Mitteilungen des Evangelischen Oberkirchenrates zu den einzelnen Bestimmungen und Regelungen des TVöD, TVÜ und der AR-M.
Sollten Sie selbst zu dieser (oder einer anderen Regelung) einen Kommentar schreiben wollen, so sind Sie herzlich eingeladen dazu!
Senden Sie diesen bitte an: info@vkm-baden.de
Wir werden versuchen, Ihren Beitrag sinnvoll in diesen Internetauftritt zu integrieren.

Herzlichen Dank

Kommentar zu § 19 Abs. 3 Mitarbeitervertretungsgesetz (MVG) der Evangelischen Kirche in Deutschland

BAG 1 AZR 646/07 + BAG 6 AZR 495/16

Mit den Urteilen vom 11. November 2008 (1 AZR 646/07) und vom 1. Juni 2017 (6 AZR 495/16) hat das Bundesarbeitsgericht gleich zwei entscheidende Aussagen getroffen:

1) Streitigkeiten eines MAV-Mitglieds mit der Dienststellenleitung unterliegen der staatlichen Gerichtsbarkeit, da im MVG für diese Fälle den Kirchengerichten keine Vorfragenkompetenz eingeräumt ist.

2) Besuchen teilzeitbeschäftigte MAV-Mitglieder Schulungen (Tagungen und Lehrgänge, die ihnen für die Tätigkeit in der Mitarbeitervertretung erforderliche Kenntnisse vermitteln) und geht die zeitliche Inanspruchnahme über die persönliche Arbeitszeit hinaus, haben sie für die über die persönliche Arbeitzeit hinausgehende Schulungszeit keinen Anspruch auf Ausgleich oder Entgelt.
Logischerweise gilt diese Entscheidung in sinngemäßer Anwendung auch für vollbeschäftigte MAV-Mitglieder, wenn die Schulungszeit über die übliche Arbeitszeit hinausgeht.

ACHTUNG:
Für die zur Entscheidung vorgelegte Sache findet das MVG der Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen (MVG-K) Anwendung. Im MVG-K wurde der § 19 Abs. 3 Satz 2 MVG nicht übernommen:
Satz 2: "Berücksichtigt wird die tatsächliche zeitliche Inanspruchnahme, höchstens aber die bis zur täglichen Arbeitszeit einer vollzeitbeschäftigten Mitarbeiterin oder eines vollzeitbeschäftigten Mitarbeiters."

Für Regionen, in welchem das anzuwendende MVG diesen Satz 2 hat, besteht für teilzeitbeschäftigte MAV-Mitglieder bei der Teilnahme an Schulungen ein Anspruch auf Freizeitausgleich im Umfang der ihre tägliche oder dienstplanmäßige Arbeitszeit übersteigende Zeitbedarf der Schulung bis höchstens zu dem Umfang eines/r Vollbeschäftigten.

Inhaltlich korrespondiert die Entscheidung mit anderen Entscheidungen zur Frage eines Zeitausgleichs bei Fortbildungen gem. § 5 TVöD bzw. der Arbeitsrechtsregelung zu Maßnahmen der beruflichen Fort- und Weiterbildung (AR-FWB), wenn die Fortbildungszeit über die übliche Arbeitszeit hinausgeht. Auch hier wird kein Zeitausgleich gewährt, da für die Fortbildung "Arbeitsbefreiung" gewährt wird. (Ausnahme: Angeordnete Maßnahmen, hier gilt § 10 Abs. 1 AR-FWB).


=> zur Entscheidung des Bundesarbeitsgericht (1 AZR 646/07) (107 kb)
=> zur Entscheidung des Bundesarbeitsgericht (6 AZR 495/16)> (169 kb)

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Kirchengerichtshof II-0124/U24-12

Teilnahme an einer Fachtagung - Erforderlichkeit

Kirchengerichtshof der Evangelischen Kirche in Deutschland, Senate für mitarbeitervertretungsrechtliche Streitigkeiten,
Beschluss vom 03. Juni 2013, II-0124/ U24-12


Der Anspruch auf Übernahme der Kosten für eine Fachtagung setzt voraus, dass für die Tätigkeit in der Mitarbeitervertretung erforderliche Kenntnisse i.S. von § 19 Abs. 3 MVG.EKD vermittelt werden. Der Beurteilungsspielraum der Mitarbeitervertretung schließt dabei ein, dass auch die Teilnahme an Tagungen erforderlich sein kann, für die es eine „konkrete Erforderlichkeit“ nicht gibt. Die Tätigkeit einer Mitarbeitervertretung besteht nicht ausschließlich aus konkreten einzelfallbezogenen Beteiligungsfragen.

Eine sinnvoll koordinierte und strukturierte Tätigkeit einer Mitarbeitervertretung setzt voraus, dass auch Kenntnisse des arbeitsrechtlichen Umfeldes vorhanden sind, in dem die Mitbestimmung gelebt wird. Dies schließt die Teilnahme an Tagungen ein, in denen Kenntnisse über arbeitsrechtliche Rahmenbedingungen vermittelt werden, in denen sich die tägliche Arbeit der Mitarbeitervertretung vollzieht.

Die Beteiligten stritten sich über die Verpflichtung der Dienststelle, die Kosten der Teilnahme eines Mitglieds der Mitarbeitervertretung an einer Fachtagung zum kirchlichen Arbeitsrecht zu übernehmen. Die Fachtagung stand unter dem Titel „Kirchliches Arbeitsrecht in der Krise, wie kommt man zu gerechten Arbeitsbedingungen?“ Sie. beinhaltete Vorträge zu den Themen "Darf die Kirche zur Wahrung ihrer Rechte die Grundrechte, verdrängen?", "Gewährleistung der Arbeitnehmer-Grundrechte im sogenannten Dritten Weg", "3. Weg oder 2. Weg - welcher Weg führt zum Ziel?" sowie „Streikrecht als Grundrechtsverwirklichung". In Arbeits- und Vertiefungsgruppen wurden die Themen "Handlungsmöglichkeiten der MAV bei kirchenrechtswidriger Beschäftigung" (z.B. Leiharbeit), "Auswirkung des europäischen Rechts im Hinblick auf Mitbestimmung (Kann ich als MAV damit eine Zustimmung verweigern?)", "Kirchliche Prägung diakonischer Einrichtungen", "Handlungsmöglichkeiten der MAV nach dem sogenannten Dritten Weg" und "Welche Unternehmens-mitbestimmungsrechte hat die MAV?" behandelt. Eine Podiumsdiskussion von Wissenschaftlern, Vertretern des Diakonischen Werkes sowie Politikern schloss die Tagung ab.

Nachdem die Dienststelle die Freistellung des Mitglieds der MAV sowie die Kostenübernahme für die Fachtagung abgelehnt hatte, beantragte die Mitarbeitervertretung bei der zuständigen Schiedsstelle festzustellen, dass ein Anspruch auf Arbeitsbefreiung ohne Minderung der Bezüge sowie ein Anspruch auf Kostenübernahme für die Tagungsteilnahme bestände. Die Schiedsstelle hat den Antrag der Mitarbeitervertretung mit der Begründung zurückgewiesen, die Teilnahme des Mitglieds der Mitarbeitervertretung an der Tagung zum Kirchlichen Arbeitsrecht sei zur sachgerechten und effektiven Wahrnehmung der Aufgaben in der Mitarbeitervertretung nicht erforderlich. Die daraufhin von der Mitarbeitervertretung beim Kirchengerichtshof eingereichte Beschwerde hatte demgegenüber Erfolg. Die Schiedsstelle habe zu Unrecht den Antrag der Mitarbeitervertretung zurückgewiesen, so der Kirchengerichtshof in seiner Entscheidung. Der Anspruch auf Übernahme der Kosten setze voraus, dass für die Tätigkeit in der Mitarbeitervertretung erforderliche Kenntnisse i.S.v. § 19 Abs. 3 MVG.EKD vermittelt würden. Welche Kenntnisse erforderlich seien und ob solche Kenntnisse durch die Teilnahme an einer Tagung oder an einem Lehrgang vermittelt würden, entscheide die Mitarbeitervertretung, ihr stehe insoweit ein Beurteilungsspielraum zu Dieser Beurteilungsspielraum sei notwendig, da nur das Gremium der Mitarbeitervertretung darüber befinden könne, welche Kenntnisse für die konkrete Arbeit der Mitarbeitervertretung notwendig seien. Dies gelte insbesondere, weil § 19 Abs. 3 Satz 1 MVG den Schulungsanspruch auf vier Wochen pro Amtsperiode beschränke. Stehe nur ein beschränktes Schulungsvolumen zur Verfügung, so bedürfe es eines ausreichend weiten Beurteilungsspielraums. Dieser Beurteilungsspielraum schließe ein, dass auch die Teilnahme an Tagungen erforderlich i.S. von § 19 Abs. 3 MVG.EKD sein könne, für die es eine konkrete Erforderlichkeit nicht gäbe. Die Tätigkeit einer Mitarbeitervertretung bestehe nicht ausschließlich aus konkreten einzelfallbezogenen Beteiligungsfragen. Eine sinnvoll koordinierte und strukturierte Tätigkeit einer Mitarbeitervertretung setze voraus, dass auch Kenntnisse des arbeitsrechtlichen Umfeldes vorhanden seien, in denen Kenntnisse über arbeitsrechtliche Rahmenbedingungen vermittelt würden, in denen sich die tägliche Arbeit der Mitarbeitervertretung vollziehe. Im konkreten Fall seien in den Arbeits- und Vertiefungsgruppen Kenntnisse vermittelt worden, die für die tägliche Arbeit der Mitarbeitervertretung bereits unmittelbar erforderlich seien und konkrete Mitbestimmungsfragen beträfen. In den Fachvorträgen wurden Fragen der Reichweite von Grundrechten in kirchlichen Einrichtungen behandelt, auch insoweit hielte sich die Beurteilung der Mitarbeitervertretung im Hinblick auf die Erforderlichkeit der Teilnahme im Rahmen des ihr zustehenden Beurteilungsspielraums.

aus dem Newsletter Kellnerverlag Bremen "AuK-Schnelldienst - Rechtssprechung für Mitarbeitervertretungen" [externer Link / öffnet in eigenem Fenster / 196 kb] vom 3. September 2013

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Freistellung und Kostenübernahme für Tagung

Schlichtungsstelle nach dem Mitarbeitervertretungsgesetz der Ev. Kirche von Westfalen -2. Kammer in Münster (Westf.) -, Beschluss vom 17.09.2013, Az.: 2 M 60/13

Nach der Rechtsprechung des Kirchengerichtshofs entscheidet die Mitarbeitervertretung, welche Erkenntnisse erforderlich sind und ob solche Kenntnisse durch die Teilnahme an einer Tagung oder an einem Lehrgang vermittelt werden.

Der Mitarbeitervertretung steht insoweit hinsichtlich der Erforderlichkeit von Tagungen und Lehrgängen ein Beurteilungsspielraum zu. Dieser Beurteilungsspielraum ist notwendig, da nur das Gremium der Mitarbeitervertretung darüber befinden kann, welche Kenntnisse für die konkrete Mitarbeit der Mitarbeitervertretung notwendig sind.

Die Beteiligten stritten über die Teilnahme von zwei Mitgliedern der antragstellenden Mitarbeitervertretung an einer Tagung „Mit Schwung in die Interessenvertretung" in Berlin am 07. und 08.11.2013. Die Antragsgegnerin betreibt ein Krankenhaus. Am 27.06.2013 fasste die Mitarbeitervertretung den Beschluss, dass die zwei Mitglieder der Mitarbeitervertretung an der Tagung am 07. und 08.11.2013 teilnehmen sollten. Die Antragsgegnerin teilte am 17.07.2013 mit, die Freistellung und Kostenübernahme werde nur für ein Mitglied der Mitarbeitervertretung gewährt. Sie vertrat die Auffassung, nur die Teilnahme eines Mitglieds der Mitarbeitervertretung sei durch § 19 Abs. 3 MVG.EKD gedeckt. Es bleibe unklar, warum das allgemeine Wissen, das Gegenstand der Tagung sei, zwei Teilnehmer erfordere. Ein konkreter Bezug zwischen den gegenwärtigen und zukünftigen Aufgaben der Mitarbeitervertretung sei nicht zu erkennen. Die Mitarbeitervertretung vertrat hingegen die Auffassung, die Antragsgegnerin sei nach § 19 Abs. 3 MVG.EKD zur Gewährung von Arbeitsbefreiung und Kostenerstattung für die Tagungsteilnahme von zwei Mitgliedern verpflichtet.

Die Schlichtungsstelle entschied, die Erforderlichkeit der Tagungsteilnahme für zwei Mitglieder der Mitarbeitervertretung sei hier zu bejahen. Dabei folgte die Schlichtungsstelle der einschlägigen Rechtsprechung des KGH. EKD der zufolge der Begriff der Erforderlichkeit in § 19 Abs. 3 MVG.EKD in einem weiteren Sinne zu verstehen ist als der Begriff der Erforderlichkeit in § 37 Abs. 6 BetrVG des stattlichen Betriebsverfassungsrechts. Nach der Rechtsprechung des KGH.EKD entscheidet die Mitarbeitervertretung, welche Erkenntnisse erforderlich sind und ob solche Kenntnisse durch die Teilnahme an einer Tagung oder an einem Lehrgang vermittelt werden. Der Mitarbeitervertretung steht insoweit hinsichtlich der Erforderlichkeit von Tagungen und Lehrgängen ein Beurteilungsspielraum zu. Dieser Beurteilungsspielraum ist notwendig, da nur das Gremium der Mitarbeitervertretung darüber befinden kann, welche Kenntnisse für die konkrete Mitarbeit der Mitarbeitervertretung notwendig sind. Dies gilt insbesondere, weil § 19 Abs. 3 Satz 1 MVG.EKD den Schulungsanspruch auf vier Wochen pro Amtsperiode beschränkt. Steht nur ein beschränktes Schulungsvolumen zur Verfügung, so bedarf es eines ausreichend weiten Beurteilungsspielraums, um durch differenzierte Schulungs- und Tagungsteilnahme ihrer Mitglieder den insgesamt erforderlichen Kenntnisstand in der Mitarbeitervertretung sicherstellen zu können. Dieser Beurteilungsspielraum schließt ein, dass auch die Teilnahme an Tagungen im Sinne von § 19 Abs. 3 MVG.EKD erforderlich sein kann, wenn es eine „konkrete Erforderlichkeit" etwa im Sinne von § 37 Abs. 6 BetrVG nicht gibt. Die Tätigkeit einer Mitarbeitervertretung besteht nicht ausschließlich aus konkreten einzelfallbezogenen Beteiligungsfragen. Eine sinnvoll koordinierte und strukturierte Tätigkeit einer Mitarbeitervertretung setzt voraus, dass auch Kenntnisse des arbeitsrechtlichen Umfeldes vorhanden sind, in dem die Mitbestimmung gelebt wird. Dies schließt die Teilnahme an Tagungen ein, in denen Kenntnisse über arbeitsrechtliche Rahmenbedingungen vermittelt werden, in denen sich die tägliche Arbeit der Mitarbeitervertretung vollzieht. Vorliegend habe sich die Entscheidung der Mitarbeitervertretung über die Erforderlichkeit der Teilnahme zweier Mitglieder an der Tagung „Mit Schwung in die Interessenvertretung" in Berlin am 07. und 08.11.2013 im Rahmen dieses Beurteilungsspielraums gehalten. Die Themen der Tagung beträfen Fragen des arbeitsrechtlichen Umfeldes, in dem die Mitbestimmung gelebt werde. Das gelte für die Thematik „Branchenentwicklung als Herausforderung für die Interessenvertretung" ebenso wie für die Schlussthematik „Die Krankenhauspolitik nach der Bundestagswahl", bei der es nach einer Analyse und Bewertung um Fragen der Einflussnahme und der Durchsetzung von Beschäftigungsinteressen gehe.

aus dem Newsletter Kellnerverlag Bremen "AuK-Schnelldienst - Rechtssprechung für Mitarbeitervertretungen" [externer Link / öffnet in eigenem Fenster / 190 kb] vom 28. November 2013

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